Herbstversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein in Aachen-Burscheid am 1. Oktober 1997

In Aachen-Burscheid konnte man in diesem Jahr die vor einem Jahrtausend erfolgte Gründung der Abtei Burscheid feiern und hatte zudem Anlaß der vor hundert Jahren geschehenen Eingemeindung nach Aachen zu gedenken. Der Historische Verein nahm dies zum Anlaß, hier seine Herbstversammlung abzuhalten und kam damit zum ersten Mal in seiner Geschichte in diesem Stadtteil von Aachen. Der Vorsitzende Prof. Dr. Norbert Trippen eröffnete in den Kurparkterrassen zur gewohnten Stunde die Vortragsveranstaltung des Vormittags und begrüßte als Vertreterin der gastgebenden Stadt Bürgermeisterin Margret Ortstein, die anschließend Worte des Willkommens an die Versammlung richtete. Der Vorsitzende konnte sich in seinen einleitenden Ausführungen kurz fassen, zumal auch der Vereinsbericht sich auf das Normale beschränkte. Sterbefälle von Mitgliedern waren der Geschäftsstelle nicht bekannt geworden. Das neue Heft der „Annalen“ ist in Arbeit und wird voraussichtlich gegen Ende des Jahres ausgeliefert.

Als erster Redner führte dann Dr. Thomas Wurzel (Frankfurt a. M.) in die mittelalterliche Geschichte der Reichsabtei Burscheid ein. Die durch Otto III. veranlaßte Gründung lag auf dem Boden des Bistums Köln, gehörte aber gleichwohl zu den geistlichen Einrichtungen, mit denen der Kaiser der Residenz Aachen Glanz und Gewicht verleihen wollte. Die allerhöchste Förderung verlor sich mit den Jahren, und 1220 war die Abtei so weit heruntergekommen, dass Erzbischof Engelbert von Köln als kirchlicher Oberer, aber auch als Reichsverweser die Mönchsgemeinde auflöste und an ihre Stelle Zisterzienserinnen vom Aachener Salvatorberg ansiedelte. Damit gewann die Stadt Aachen größeren Einfluß, deren führende Geschlechter ihre Töchter dem Kloster anvertrauten. In den Auseinandersetzungen mit dem limburgischen Untervogt, dem Herrn von Frankenberg, war dieser Rückhalt durchaus von Nutzen. Die Nonnen unterstellten schließlich die kleine Herrlichkeit, welche sich herausgebildet hatte, samt der Gerichtsbarkeit 1551 der Stadt Aachen. Davon dürfte auch die Gemeinde profitiert haben, in der Tuchmacher und die Betreiber von Badehäusern den Ton angaben. Der von großer Vertrautheit mit dem Thema kündende Vortrag verlor sich nicht in den lokalen Quisquilien, sondern hielt immer das Allgemeine und Exemplarische im Blick.

In einem sehr eindrucksvollen Lichtbildervortrag gab Dieter Deriege M. A. einen Aufriß von tausend Jahren Burscheider Baugeschichte. Er ließ den kirchlichen, öffentlichen und industriellen Bauwerken die gebührende Aufmerksamkeit zukommen und vergaß auch die Architektur des 20. Jahrhunderts nicht. Immer wieder war von den Schäden die Rede, welche der Zweite Weltkrieg geschlagen hat. Um so höher sind die Aufbauleistungen der letzten Jahrzehnte zu werten.

Von ihnen konnten sich die Teilnehmer überzeugen, als sie am Nachmittag zu einem mehrstündigen Rundgang aufbrachen. Zunächst wurden die beiden prachtvollen Kirchen auf dem Höhenrücken besucht, den die Planer von 997 für ihre Gründung ausgesucht hatten. Durch die um die Mitte des 18. Jahrhunderts von dem Aachener Baumeister Johann Joseph Couven errichtete barocke Kirche St. Johann führte sachkundig und lebendig Prälat Wilhelm Zimmermann, der auch dafür gesorgt hatte, dass die Tagungsteilnehmer die schönsten Stücke des ehemaligen Klosterschatzes aus großer Nähe und ohne trennende Glasscheibe betrachten konnten. Die um die Mitte des 13. Jahrhunderts zuerst erwähnte Pfarrkirche der Herrlichkeit Burscheid, dem hl. Michael geweiht, wurde ebenfalls nach Plänen von Baumeister Couven barockisiert. Diese stellte den Tagungsteilnehmern Studiendirektor a.D. Helmut Doerenkamp vor, der auch die Gesellschaft Burscheid für Geschichte und Gegenwart e.V. repräsentierte. Er führte durch den historischen Ortskern mit den bewahrten bzw. wiederhergestellten Bauten verschiedener Epochen und gab seinen Zuhörern eine gute Vorstellung von dem durch Kirche, Badewesen und frühe Industrie geprägten alten Burtscheid.

Inzwischen hatte noch das Wetter ein Einsehen und besserte sich, so daß der Rundgang in ein erholsames Spazieren überging. Er mündete in dem traditionellen Nachmittagskaffee, zu dem der Aachener Ratsherr und Landtagsabgeordnete Dr. Lorenz erfreulicherweise eingeladen hatte. So klang der eindrucksvolle Tag bei für das westliche Grenzgebiet typischen Leckereien, wie z. B. Reisfladen, und munteren Gesprächen aus.

 

Severin Corsten

Bonn-Bad Godesberg

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