Herbstversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein in Venlo und Steyl am 19. Oktober 2005

Auch die Herbstversammlung des Jahres 2005 fand wie die Frühjahrsversammlung wieder auf „Neuland“ statt. Venlo und Steyl sind ebenfalls nie zuvor Tagungsort unseres Historischen Vereins gewesen. Dabei ist die niederländische Provinz Limburg auch zuvor nicht außerhalb des Horizonts unserer Interessen gewesen. Schon während der Gründungzeit unseres Vereins bestanden Beziehungen zu der ungefähr gleichzeitig entstandenen „Limburgs Geschieds- en Oudheidkundig Genootschap“. Die Frühjahrsversammlung von 1982 fand in der limburgischen Bischofsstadt Roermond statt, die Herbstversammlung des gleichen Jahres fand vormittags im deutschen Herzogenrath, nachmittags aber in der niederländisch-limburgischen Abtei Klosterrath (Rolduc) statt. 1990 war die Frühjahrsversammlung in Sittard, einem limburgischen Ort, der jahrhundertelang zum Herzogtum Jülich gehörte.

Venlo und das Kloster Steyl (Teil des inzwischen eingemeindeten Tegelen) sind gewiss nicht zum Niederrhein zu rechnen, aber stehen auch heute noch mit dieser deutschen Region in engster kultureller und wirtschaftlicher Verbindung. Zum im Untertitel unseres Vereinsnamens genannten „alten Erzbistum Köln“ haben Venlo und Tegelen einmal gehört, aber nur bis zum Ende des 10. Jahrhunderts, als der Kölner Metropolit Everger die beiden Pfarreien an die Diözese Lüttich abtrat.

Die Einladung zur Versammlung in Venlo hatte unser Verein vom Bürgermeister und den Beigeordneten der Gemeinde Venlo erhalten. Verdankt wurde sie gewiss unserem Vorsitzenden Professor Peters, der sich als Kultur- und Schuldezernent des Kreises Viersen um die grenzüberschreitenden Kulturkontakte im niederrheinisch-maasländischen Raum seit langem verdient gemacht hat. Die Versammlung begann im neuen Limburg-Museum nach der Begrüßung mit einem Vortrag von Drs. Marten van Driel (Rijksarchief Gelderland, Arnhem). Der Titel des Vortrages war „Aspekte geldrischer Geschichte von der Schlacht von Worringen (1288) bis zum Frieden von Venlo (1543)“. Herr van Driels gut einstündiger Vortrag bewegte sich auf sehr hohem wissenschaftlichem Niveau und berücksichtigte kritisch alle neueren Forschungsergebnisse. Er war dennoch für alle Teilnehmer verständlich und mit sprachlicher Eleganz formuliert. Dieser Fachvortrag hob sich selbst unter den ganz überwiegend sehr guten Vorträgen der Versammlungen der letzten Jahre in Inhalt und Form durch besondere Qualität hervor.

Es folgte ein Empfang im Rathaus der Stadt Venlo durch den Beigeordneten („Wethouder“) Herrn van der Velden, sowie eine Besichtigung des Rathauses mit kundiger Führung. Im Mittelpunkt der Besichtigung standen die wechselhafte Geschichte Venlos in der Zeit des „Achtzigjährigen Krieges“ (Tachtigjarige Oorlog) und die engen Beziehungen, die noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen Venlo und dem Rheinland bestanden. Nach dem Mittagessen bestand Gelegenheit, das neue Limburg-Museum zu besichtigen, in dem gerade auch eine hochinteressante Ausstellung zur niederländischen Stadtarchäologie gezeigt wurde.

Das Nachmittagsprogramm war den Steyler Missionaren und dem Missions-Museum in Steyl gewidmet. Zuerst wurde unter Führung von Schwester Mechthild Berger die Hauptkirche der weiträumigen Gesamtanlage mit dem Grab des Ordensgründers, des hl. Arnold Janssen, besichtigt. Die 1875 von Arnold Janssen (geboren im niederrheinischen Goch 1837) zunächst als Ausbildungsstätte für Missionare konzipierte und dann seit 1889 als religiöse Genossenschaft begründete „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ (Societas Verbi Domini SVD) nahm wegen der Kulturkampfgesetze ihren Ursprung im niederländischen Steyl unmittelbar an der deutschen Grenze. Das umfangreiche Schrifttum der religiösen Genossenschaft wurde weltweit, vornehmlich aber in Deutschland, vertrieben. Daher weist ein beträchtlicher Teil der Publikationen anstelle des Druckortes Steyl den Vermerk „Post Kaldenkirchen“ auf. Für die katholische Kirche im nördlichen Rheinland und für deren Verbindung zum weltkirchlichen Auftrag der Mission kann der Einfluss des religiösen Zentrums Steyl im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert kaum überschätzt werden. Arnold Janssen gründete in Steyl außer der Missionsgesellschaft für Priester und Laienbrüder auch zwei Schwesterngenossenschaften.

Nach der Besichtigung der Kirche folgte die des Missions-Museums. Dieses ist in mehrfacher Hinsicht eine einmalige Sehenswürdigkeit. Einmal sind die gezeigten Exponate jeweils einzeln betrachtet für sich bedeutsam, nicht nur für die Missionsgeschichte, sondern auch für die Ethnologie, die Ostasienkunde und andere Kulturwissenschaften. Noch wichtiger erscheint aber heute die Gesamtanlage und die Einrichtung des Museums, die den Prototyp eines Missionsmuseums aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt. Daher wurde das Museum als ganzes mit Recht unter Denkmalschutz gestellt. Es stellt eine herausragende Sachquelle für zahlreiche historische Disziplinen dar. Alles wurde so belassen, wie es in der Zeit vor der Entkolonialisierung dargestellt wurde. Die Steyler Missionare, deren Genossenschaft weltweit dem sozialen Fortschritt und damit indirekt der politischen Emanzipation vieler Nationen gedient hat, haben so ohne apologetisch intendierte Verfälschung die Darstellung der überwundenen eurozentrischen Weltsicht als historisches Denkmal erhalten. Die Führung durch das Museum wurde ebenfalls von Schwester Mechthild Berger höchst kompetent geleitet. Den Abschluß dieser in jeder Hinsicht herausragenden Herbstversammlung bildete die Fahrt mit der Fähre über die Maas nach Barlo und zurück auf das rechte Flussufer nach Tegelen-Steyl.

 

Heinz Finger

Köln

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