Studienfahrt nach Flandern,
2.–4. August 2016

Die diesjährigen Studienfahrtziele hatten wir gewählt vor allem im Hinblick auf das hundertjährige Gedenken des Ersten Weltkriegs. Gerade in Flandern ereigneten sich einige der blutigsten und grausamsten Geschehnisse dieser vier Kriegsjahre. Hinzu trat die westflandrischhe Stadt Kortrijk mit ihren Sehenswürdigkeiten, in erster Linie aus der Zeit des Mittelalters.

2. August

Nach der Begrüßung durch unseren neuen Vereinsvorsitzenden Dr. Norbert Schloßmacher stand am Dienstagnachmittag die – zivile – Stadtgeschichte Kortrijks auf dem Programm. Stadtführer Frans van Houdenhove erklärte uns anschaulich und kurzweilig die bedeutendsten Etappen. Schon in der Antike war Kortrijk ein wichtiger Handelsknotenpunkt, verbunden mit Tournai, Brügge, Gent, Lille, Arras, Cassel und Tongeren. Die wechselvolle Geschichte der Grafschaft Flandern, insbesondere in der Auseinandersetzung mit Frankreich, war prägend für die Stadt. Eine wirtschaftliche Blüte erlebte sie im Mittelalter, vor allem aufgrund ihrer Tuchindustrie. Sie hatte im Laufe der Jahrhunderte, bis hin zu den beiden Weltkriegen, etliche Dutzend Male unter Kriegszerstörungen schwer zu leiden. – Vom Belfried (14. Jahrhundert) führte unser Rundgang u.a. zum so genannten Artillerieturm, dem ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt (1305 als Wasserturm des – nicht mehr erhaltenen – gräflichen Schlosses erbaut); zu den Broeltürmen als einzigen Resten der Stadtbefestigung (13. Jahrhundert); und zum gotischen Rathaus (Anfang 15. Jahrhundert), leider zwecks Restaurierung eingerüstet. Jedoch boten Schöffensaal und Ratssaal beeindruckende Architektur, Gemälde, Skulpturen und Fenster. Den Abschluss bildete das Museum „Kotrijk 1302“, gewidmet der so genannten Schlacht der Goldenen Sporen, die im kollektiven Gedächtnis Flanderns eine bedeutende Rolle spielt.

3. August

Am Mittwochmorgen fuhren wir per Reisebus in das nach 1914 völlig zerstörte und entvölkerte und in den 1920er-Jahren wieder aufgebaute Ypern. Erster Halt war am Ehrenmal Menenpoort am Stadteingang Yperns, wo seit 1928 jeden Abend der
„Last Post“ geblasen wird (kriegsbedingt ausgesetzt einzig vom 2.5.1940 bis zum 6.9.1944). Unser Hauptziel war das interaktive Museum „In Flanders Fields“, untergebracht in den wiederaufgebauten gotischen Tuchhallen, das in sehr anschaulicher und ausgewogener Form die Geschichte des Ersten Weltkriegs, mit dem Schwerpunkt Flandern, präsentiert. Danach ein kurzer Abstecher in die ebenfalls wiederaufgebaute Martinskathedrale (Ypern war von 1559 bis 1801 Bistum) mit den Grablegen von Graf Robert III. (1249–1322), dem „Löwen von Flandern“, und Bischof Cornelius Jansen (1585–1638).
Nächstes Ziel: der Essex Farm Cemetery
 

 Gruppenbild  vor  dem  Sankt-Elisabeth-Beginenhof  (Foto:  S. Schmitz).
 
an einem ehemaligen britischen Verbandsplatz am Stadtrand von Ypern. Der kanadische Militärarzt John McCrae schrieb dort 1915 sein berühmtes Gedicht über den roten Mohn. Dem Museum in Ypern gab es seinen Namen und dem Kriegsgedenken sein Symbol: „In Flanders fields the poppies blow“.

Symbolik anderer Art verband sich jahrzehntelang mit dem deutschen Soldatenfriedhof Langemark. Der „Mythos von Langemark“ verklärte die militärische Niederlage junger Kriegsfreiwilliger und älterer Landwehrmänner als heroischen Opfergang und moralischen Sieg.

Am Weg nach Passendaele liegt Tyne Cot Cemetery, weltweit größter Friedhof der Streitkräfte des Commonwealth. Zur Schlichtheit der zuvor besuchten Gedenkorte ein bemerkenswerter Kontrast. An beiden Enden der Friedhofsmauer, ein weit geschwungener Bogen, von Engeln bekrönte Rotunden; gegenüber, erhöht auf einer Art siebenstufiger Pyramide, ein monumentales Opferkreuz.

Letzte Station des Tages: das Memorial Museum Passendaele. Die Ausstellung ist im Vergleich zu „In Flanders Fields“ konventioneller gestaltet: vor allem mit vielerlei Uniformen, Fahnen, Waffen, Munition, Ausrüstungsgegenständen und sonstigen Gerätschaften. Jedoch fehlen auch multimediale Darstellungen nicht. Beeindruckend sind die nachgebauten Unterstände, in die man über steile Holztreppen hinuntersteigt, sowie der ebenfalls nachgebaute Schützengraben (niederländisch „Dodegang“).

4. August

Der Donnerstagvormittag war dem geistlichen Kortrijk gewidmet; beginnend mit der Kirche des hl. Martin, Schutzpatron der Stadt. Zwischen 1390 und 1466 ersetzte man den romanischen Bau durch eine gotische Kirche. 1862 kam es zum Brand infolge eines Blitzschlags; danach wurden Hochchor, Seitenchöre und Sankt-Anna-Kapelle in neogotischem Stil neu errichtet. Als bedeutendste Kunstschätze zeigte uns Touristenführerin Rosa Croes das Sakramentshaus (1585) und das Pfi (1587).
Weiter ging es zum Sankt-Elisabeth-Beginenhof von 1238, in seiner heutigen Gestalt bestehend aus insgesamt 41 Häuschen des 17. Jahrhunderts; seit 1998 Unesco-Weltkulturerbe. Der mehrfach restaurierte Sankt-Anna-Saal von 1682 beherbergt seit 2012 ein kleines interaktives Museum. Weltweit letzte Begine war Marcella Pattyn (geboren 1920), wohnhaft im Beginenhof 1960–2005; verstorben 2013 im Kortrijker Seniorenheim.
Der Besuch von Liebfrauenkirche, einer früheren Stiftskirche, und Grafenkapelle rundete unser Besichtigungsprogramm ab. Baubeginn 1199; die Türme fügte man um die Mitte des 13. Jahrhunderts an. Bereits 1382 (nach der Schlacht von Roosebeke) wurde die Kirche durch französische Soldaten größtenteils zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte ab 1410. 1578 vernichtete ein protestantischer Bildersturm weite Teile der Ausstattung. Heute überwiegt im Kircheninneren der Barockstil mit dem Gemälde „Kreuzaufrichtung“ von Anton van Dyck als wichtigstem Werk.

Graf Ludwig van Male ließ 1370 die Grafenkapelle anbauen und bestimmte sie zu seinem Mausoleum. Wandmalereien stellen die lange Reihe der Grafen von Flandern dar; kunsthistorisch am wertvollsten ist die Skulptur der hl. Katharina. Vor dem Portal der Liebfrauenkirche verabschiedeten sich die Teilnehmer voneinander. Einige wollten noch ein Weilchen in der Stadt bleiben oder sogar zu anderen Zielen in Belgien weiterreisen; die meisten aber traten die Heimfahrt an.

Norbert Schlossmacher und Susanne Schmitz